Chronische Überforderung ist längst ein gesundheitliches und gesellschaftliches anerkanntes Krankheitsbild und ist als „Burn-out“ jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin bekannt. Berufliche Unterforderung dagegen ist weitgehend unbekannt und noch keine anerkannte Krankheit. Boreout und Burnout sind quasi Geschwister, ihre volkswirtschaftlichen Folgen gehen in die Milliarden. Europaweit sind es mehr als 200 Milliarden Euro, der Großteil davon entfällt auf den Verlust von Produktivität.
Die innerliche Kündigung hat in der Pandemie zugenommen
Dauerhafte Langeweile im Job ist eine immense Verschwendung an Potenzial. Fast jeder Achte (13 Prozent) aller Erwerbstätigen in Deutschland fühlt sich fachlich unterfordert und befindet sich in einem Zustand innerer Kündigung. In den USA belaufen sich die Kosten aufgrund mangelnder Wertschätzung und Unterforderung auf rund 5.000 US-Dollar pro Mitarbeiter:innen im Jahr. Und wenig spricht dafür, dass ich die Zahlen nach der Pandemie bessern, im Gegenteil. Besonders in der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen ist die psychische Belastung in den beiden Corona-Jahren stark gestiegen. Insgesamt gestiegen ist die Zahl jener Mitarbeiter:innen, die keine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen aufweisen. Was vor allem an den Führungskräften liegt. In Befragungen kommt vor allem Boreout selten zur Sprache, dabei kann es relativ schnell angegangen werden. Angefangen von einem Wechsel der Tätigkeit im Unternehmen, etwa durch einen Projekt- oder Abteilungswechsel bis hin zur Kündigung. Auch betriebliche Gesundheitsmaßnahmen können helfen. Die mentale Fitness lässt sich beispielsweise durch das Pflegen oder den Ausbau sozialer Kontakte fördern. Wer Bedürftigen hilft, wie aktuell in der Ukraine-Krise, erfährt ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Auch Bewegung hilft und verbessert das Immun- und das Herz-Kreislaufsystem.
Strategien gegen Boreout: Auf die Fehlerkultur kommt es an!
Die beste Boreout-Prävention ist Experten zufolge das Matching von Tätigkeit und Mitarbeiter. Talentorientierte Unternehmen setzen auf Führungskräfte mit empathischen Fähigkeiten und echtem Interesse an den Potenzialen und Kompetenzen der Teamkolleg:innen. Kommunikation ist fast alles. Regelmäßige und ständige Mitarbeiter- und Feedbackgespräche sind das A und O. Standard sollte auch die Möglichkeit sein, sich professionell Hilfe zu holen. Entscheidend ist am Ende eine positive Fehlerkultur. „Auf Fehlern lernen“ steht in keinem Unternehmensleitbild. Für den 1995 verstorbenen Dramatiker und Schriftsteller Heiner Müller unterscheidet sich der Mensch von der Maschine durch seine Fehlerkultur: „Macht mehr Fehler, macht sie schneller, woraus wollt Ihr sonst lernen?“ Wer weiß, dass er oder sie Fehler machen darf, fühlt sich weniger über- oder unterfordert. „Errare humanum ist“ (Irren ist menschlich) hieß es bereits bei den antiken Philosophen Seneca und Cicero. Ohne Fehlerkultur kann es keinen Fortschritt geben.