Heute können sich mehr als die Hälfte der Beschäftigten ein Leben ganz ohne Berufstätigkeit vorstellen. Weniger als die Hälfte (47%) stimmen der Aussage zu: „Mein derzeitiger Beruf bedeutet mir sehr viel.“ Die Zahlen, die aus Deutschland stammen, fallen in den meisten OECD-Staaten ähnlich aus. In einer internationalen Umfrage gaben 44 Prozent der Befragten an, dass ich ihre beruflichen Prioritäten während Corona verschoben hätten. Besonders kritisch zum eigenen Beruf geben sich mittlere Altersgruppen. Für nur etwas mehr als jeden Dritten zwischen 30 und 44 ist der eigene Job „Lebensinhalt“. Das ist noch weniger als in der Generation Z, die für die meisten (älteren) Arbeitgeber als die illoyalste gilt.
Der Wettbewerb um Talente wird zum Verteilungskampf
Zu den wesentlichen Treibern der neuen Arbeitsunlust zählt der Personalmangel. Fast zwei Drittel sieht dünne Personaldecken als Ursache der großen Unzufriedenheit. Fast jeder Zweite fühlt sich unzureichend gefördert, die Hälfte erkennt keine Aufstiegschancen im Unternehmen. Der Wettbewerb um Talente wird für die Unternehmen zum harten Verteilungskampf. In einer höheren Entlohnung und der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich sehen die befragten Arbeitnehmer die Wege aus der Jobkrise hin zu mehr Stellenbesetzungen und weniger Kündigungen.
Weniger arbeiten und mehr Freizeit und damit Zeit für Konsum, Freunde, Familie hat für die Einzelnen etliche Vorteile, stellt die Gesellschaft aber auch vor handfeste Herausforderungen. Wenn auch in Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung weniger gearbeitet wird, kommen weniger gut ausgebildete Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt, die Unternehmen verlieren an Innovationskraft, der Staat Steuereinnahmen.
Der Kampf ist ein Wertewandel
Die Alternative zur aktuellen Jobkrise heißt „Weniger arbeiten, dafür produktiver und innovativer und das für beide Geschlechter.“ Der Kampf auf dem Arbeitsmarkt ist im Kern ein Wertewandel. Der Stellenwert von Arbeit wird radikal hinterfragt, Corona hat den Wandel beschleunigt. Gefragt sind jetzt ein klarer Kopf und klarer Fokus auf die wesentlichen Dinge. „Jetzt“ ist der zentrale Begriff für das, was ansteht. Jetzt, nicht erst in der Zukunft, müssen wir beginnen. Wir leben in einer dynamischen Zeit des Aufbruchs, in einer unternehmerischen und mutigen Zeit. Vom römischen Dichter und wichtigsten Autor der klassischen römischen Antike Vergil stammen zwei Zitate, die auch heute noch an vielen Toren und Gebäuden zu sehen sind: „Omnia vincit armor“ („Alles besiegt die Liebe“) und „Labor omnia vincit“ („Die Arbeit besiegt alles“). In der Kombination ergeben beide einen neuen Sinn: Wenn wir den Wandel annehmen und seine Aufgaben, die er an uns stellt, lieben, können wir alles schaffen.