Work-Life-Care!

Work-Life-Care!

06. Mai 2022 · Dettlings Kolumne

Über die Grenzen der Selbstperfektionierung und warum wir noch keinen Markt für Family Care haben.

In Deutschland mussten zuletzt zwei Spitzenpolitikerinnen zurücktreten. Eine grüne Bundesfamilienministerin und vierfache Mutter (42 Jahre) und eine konservative Landesumweltministerin (56 Jahre). Gescheitert sind beide in erster Linie an eigenen Fehlern, aber auch an der schlecht gemanagten Vereinbarkeit von Karriere und Kindern. „Work-Life-Balance“ wird zur Falle. Die Zukunft gehört „Work-Life-Care!“

Generation Selbstperfektion

An der Work-Life-Balance ist bislang in Deutschland noch kein männlicher Spitzenpolitiker gescheitert. Entweder ist man kinderlos lebt oder die eigene Frau organisiert zu Hause das gemeinsame Familienbusiness. Die gerade erst 40 Jahre gewordene Schriftstellerin Nora Bossong beschreibt in ihrem Generationen-Essay „Wir Geschmeidigen“ ihre Alterskohorte wie ein Spiegelbild: „Selbstperfektionierung ist unser Mantra. Wir eilten die Karriereleiter wie auf einer Rolltreppe mit doppelter Geschwindigkeit hinauf.“ Der Trend zur Selbstperfektionierung ist international belegt. 30 Jahre lang hat ein britisches Psychologen-Team in mehr als 160 Studien rund 40.000 Studierenden auf ihren Perfektionismus getestet. Das Ergebnis: Der Perfektionismus ist gestiegen. Gefragt wurden die Studierenden nach ihren eigenen Erwartungen, was sie von anderen erwarten und welche Erwartungen sie von außen an sich selbst wahrnehmen. Während die Erwartungen an sich selbst und an andere nur langsam gestiegen sind, stiegen die von außen empfundenen hohen Erwartungen schneller und stärker. Was die Psychologen herausfanden, bestätigen Personalberater. Der Hang zur Überperformance nimmt vor allem bei den Jüngeren zu. Der neue Perfektionismus betrifft bei Frauen aber nicht nur das Berufliche, sondern auch das Private. Die Erwartungsfalle führt zur Überforderung – steile Karriere und viel Zeit mit den Kindern verbringen – und damit schnell zum Selbstbetrug.

Statt Backlash – Eine Bewegung für Care!

Ein Zurück in alte Rollenmuster ist kein Weg für die Zukunft. Statt Backlash braucht es eine Bewegung für mehr Unterstützung von berufstätigen Frauen (und Männern) mit Kindern. Karriere mit Kindern muss selbstverständlich werden auch in Politik und Wirtschaft. Doch mit Worten allein wird es nicht gehen. Mit Zwang aber auch nicht. Mit Geld?

Kritiker des Kapitalismus werfen ihm vor, dass er auch die Frage der Reproduktion vollständig privatisiert habe. Warum drehen wir die Logik nicht um? Das Private muss politisch und ökonomisch werden! Sollgrößen und Zielbestimmungen für mehr Frauen und Männer mit kleinen Kindern, Angebote der Kinderbetreuung auch an Rand- und zu Notzeiten, Unterstützung bei der Pflege von eigenen Angehörigen. Es gibt längst Unternehmen und Agenturen, die solche Care-Leistungen Firmen anbieten. Der weltweite Umsatz für Beauty & Personal Care (Kosmetik, Körperpflege etc.) wird in diesem Jahr ca. 467 Mrd. Euro betragen. Der Markt für Family Care ist um vielfaches höher. Er wird nur nicht gemessen, weil wir noch keinen Preis für Betreuung definiert haben. Was wir beim CO2-Preis gelöst haben, schaffen wir auch beim Care-Preis. Millionen neue gut bezahlte Jobs würden entstehen, Karriere und Kinder, Beruf und Betreuung, schließen sich nicht mehr aus und wer nicht mitmachen und sich weiterhin familienfeindlich verhalten will, zahlt mehr.

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